18.01.2016
Kapitel I
Ich schlich durch die finsteren Gänge meiner Wohnung. Eigentlich gab es keinen Grund zu schleichen, ich empfand es jedoch als einzig richtige Handlung, der Stimmung entsprechend. Hier und da warf ich einen Blick in die finsteren Zimmer, betrachtete die von Tüchern verdeckten Möbelstücke, auch sie passten außerordentlich zur Stimmung.
Das gläserne Konstrukt der Stille wurde von dem Klingeln des Telefons gestört. Es musste im Arbeitszimmer stehen. Ich blickte Gang hinunter. Überlegte. Dann schüttelte ich den Kopf. Es gab keinen Anlass, sich die Mühe zu machen. Ich setzte mich in einen von einem grauen Tuch bedeckten Sessel und wartete. Nach einigen Minuten gab der Anrufer auf und warf alles wieder in gewohnte Stille. Ich nickte erleichtert. So war es besser. Sollte ich aufstehen? Es war doch recht gemütlich. Versuchsweise griff ich in die Armlehne. Ledrige Weiche konnte ich unter dem Tuch erahnen. Vielleicht war es auch etwas Anderes. Mir gefiel jedoch die Idee von Leder. Ich nickte. Dann stand es fest. Unter diesem Tuch befand sich ein Ledersessel. Ich strich es wieder glatt. Dunkel- oder Hellbraun? Schwarz war auch nicht schlecht. Aber Hellbraun war wärmer. Ja. Ich saß also auf diesem hellbraunen Ledersessel, der vielleicht Schwarz war, vielleicht kein Ledersessel war. Aber wer konnte das schon wissen? Hatte eben nicht das Telefon geklingelt? Es lag in der Vergangenheit. Irgendwann hatte sicher jemand angerufen, vielleicht auch nicht. Ich könnte es herausfinden, indem ich den Gang hinunter ins Arbeitszimmer ging. Aber dann müsste ich diesen gemütlichen Ledersessel zurücklassen. Er war wirklich sehr gemütlich. Mir fiel auf, dass ich hunger hatte, ja dieses Gefühl war da. Und ich glaubte, nein ich war mir sicher, dass Essen jetzt etwas Gutes wäre. Ich stand also auf und war ein wenig traurig. Der Sessel war wirklich gemütlich gewesen. Vorsichtig strich ich das Tuch glatt. "Warte auf mich." Flüsterte ich liebevoll. Ich lachte. Natürlich würde er warten. Er hatte schließlich keine Beine. Zumindest Keine zum Gehen? Ich zögerte. Was wenn doch? Kichernd schlich ich in die Küche und stand unschlüssig vor dem Kühlschrank. Hatte ich überhaupt Essen? Eine wirklich schwierige Frage. Gelegentlich kam Verena, sie brachte mir Essen. Aber wann war sie da gewesen? Kam sie wirklich oder war sie nur eine Einbildung? Meine Hand wanderte zur Tür. Zögerte jedoch. Ich könnte enttäuscht werden, war schon fast wieder zur Küche hinaus. Aber ich hatte Hunger. Überfordert drehte ich mich um. Ich war wirklich nervös. Da lagen frische Äpfel in einer kleinen Schale. Waren sie wirklich frisch? Ich sah sie prüfend an. Sie sahen frisch aus. Erleichtert nahm ich einen und Biss herzhaft hinein, dass der Saft mein Kinn herunter rann. Ja, sie waren frisch. Außerordentlich lecker. Das war doch ein Zeichen, dass Verena da gewesen sein musste. Ja, bestimmt. Mutig schritt ich zum Kühlschrank und öffnete ihn. Überrascht geblendet kniff ich die Augen zusammen. Als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten sah ich erfreut einige Fertiggerichte, säuberlich gestapelt. Ich nahm mir eine Schale mit Spagetti und schloss schnell wieder die Tür. Ich genoss es das Essen auf der drehenden Scheibe der Mikrowelle zu betrachten, bis der erlösende Ton erklang. Ich könnte auf dem Ledersessel essen, dachte ich mir. Wenn er nicht wegerannt war. Leise kichernd schlich ins Wohnzimmer und stellte erfreut fest, dass er noch da stand. Das war schön. Man weiß ja nie. Ich streichelte mit der freien Hand über die Lehne, um meinen Dank auszudrücken. Als ich gegessen hatte, legte ich die leere Schale in die Spüle. Mein Körper war jetzt zufrieden. Ich ging zurück zum Ledersessel. Mein Plan war es, mit ihm eine Freundschaft aufzubauen. Er schien nett. Er war nicht davon gegangen.
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