Donnerstag, 9. Juni 2016



Kapitel III

Ich spürte das leichte Echo einer Person in der Wohnung. Ganz greifen konnte ich es nicht, aber es gab Hinweise. Wäsche hing zum Trocknen im Wohnzimmer, verströmte den angenehmen Geruch der Frische, lauwarmer Kaffee stand in der Küche, daneben lag eine Packung Zigaretten. Das Geschirr war abgewaschen und stand noch leicht feucht in der Spüle. Ja, es war jemand da gewesen. Zwei Tassen, zwei Teller, oder waren beide von mir? Ziellos ging ich umher, zog die Vorhänge in den Räumen zu, schaute Probeweise noch ein weiteres Mal in alle Zimmer, ob noch jemand da war, aber mir begegnete nur Leere. Ich setzte mich in die Küche und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein. Schwarz, wie ich ihn mochte. Ich mochte ihn doch schwarz? Versuchsweise nahm ich einen Schluck, ja ich mochte ihn schwarz. Ich wollte mir eine Zigarette nehmen, als mein Blick auf einen kleinen Zettel fiel. Die Handschrift erkannte ich verwundert als meine. Darüber nachdenken, ob ich neue Menschen kennen lernen wollte! Begeistert betrachtete ich die Worte. Warum hatte ich das geschrieben? Wie merkwürdig. Das unheimliche daran war jedoch, dass es ein Zeugnis von Vergangenem war. Es war real, wenn auch vergangen. Ein leichtes Frösteln durchfuhr mich. Das war interessant. Ich las die Nachricht wieder und wieder. Mir kam eine unglaubliche Erkenntnis. Ich konnte meinem zukünftigen Ich Nachrichten hinterlassen. Wirklich unglaublich. Kopfschüttelnd dachte ich über die Botschaft nach. Andere Menschen? Mir war ein wenig unbehaglich zumute. Was sprach man mit anderen Menschen? Das würde ich herausfinden müssen, eigentlich keine so schlechte Idee. Es war aufregend. Mir kam ein Einfall. Hell begeistert griff ich nach einem Stift und schrieb darunter: Keine schlechte Idee. Könnte ich mit meinem vergangenen Selbst eine Unterhaltung führen? Während ich auf eine Antwort wartete, zündete ich mir eine Zigarette an. Eine Weile stierte ich auf den Zettel, aber nichts geschah. Schulterzuckend blickte ich an die Decke und versuchte ein paar Rauchringe zu blasen, aber es gelang mir nicht wirklich. Das würde ich noch üben müssen, dachte ich mir. Ich lachte auf. Sorgfältig schrieb ich die Notiz: Rauchringe üben. Eine Zeit lang betrachtete ich die Botschaft, irgendetwas fehlte. Ich las die Nachricht davor durch. Sie hatte mehr Kraft. Das Rufzeichen! Ja. Wundervoll. Stolz strich ich über das Papier.

Kapitel IV

Die Sonne schien und es regnete. Fein zeichnete sich über den Häusern ein Regenbogen ab. Der Regen war von einer sanften, erfrischenden Natur. Die Art von Regen, die man unglaublich genießen konnte. Ich legte den Kopf in den Nacken und spürte mein Gesicht von dieser warmen Nässe benetzen, ergänzt von einem liebevollen Kuss der Sonne, der mal schwand, dann wieder auftauchte. Es war fremd und dennoch irgendwie bekannt. Lange war es her, dass ich ein solches Gefühl gehabt hatte, soviel war mir klar. Es kam mir vor, wie die Begegnung mit einem Menschen, den ich nur selten und nicht sehr intensiv vor einer langen Zeit getroffen hatte. Weniger eine Erinnerung, als vielmehr eine Ahnung. Ich mochte solche Ahnungen, sie verliehen dem Fremden etwas, das meine Neugierde weckte.
Mit geschlossenen Augen verharrte ich einige Minuten. Lauschte dem Plätschern, der aufprallenden Tropfen, spürte sie mich sanft bedecken. Lächelnd öffnete ich die Augen und blickte mich um. Für einen Moment war ich orientierungslos. Ich spürte Panik nach mir greifen, nervös spürte ich meinen Herzschlag beschleunigen, den Atem unregelmäßiger, schneller gehen, bis eine Hand beruhigend meine Schulter berührte und ich Verena entgegen blickte. Erleichtert atmete ich auf. Ein leichter Stoß in den Rücken von einem Lachen begleitet und ich ging weiter. Es fiel mir jedoch unglaublich schwer mich auf das Gehen zu konzentrieren. Es gab so vieles, das meine Aufmerksamkeit fesselte. Verena plapperte etwas, aber ich konnte dem nicht folgen, viel interessanter waren die Menschen, Häuser, Vögel, Bäume. Ihre Formen, Farben, faszinierenden Gerüche und Geräusche. Ich musste alles berühren, sie wahrnehmen mit allen Sinnen. Aus Fenstern drang laut Musik auf die Straße, vermischte sich mit dem aufbrausen der Autos, dem Rauschen der im Wind wogenden Wipfel der Bäume. Das merkwürdige war, dass mir alles entfernt bekannt vorkam, ich versuchte es zu begreifen, aber es entglitt mir ein jedes Mal. Ich stoppte bei einer alten Eiche und tastete nach der rauen Rinde. Woher wusste ich, dass dies eine Eiche war? Ich blickte zur Krone empor. Woher kamen diese Bezeichnungen. Es war nicht logisch. Mein Herz begann wieder schneller zu schlagen und Panik ergriff mich von neuem. Ich wollte hier weg. Wollte hier bleiben. Wusste nicht, was zu tun. Die Häuser in ihrer Größe begannen sich zu wölben, drohten auf mich herab zu stürzen. Was geschah hier. Ein stummer Schrei entfuhr mir. Ich bekam Angst, schreckliche Angst. Alles wurde lauter, immer lauter. In gewaltigen Wellen stürzte alles auf mich ein. Ein Farbwirbelsturm umgab, umschloss mich. Das Atmen wurde schwer, immer schwerer. Warum? Was geschah hier. Gehetzt blickte ich mich um, nahm nur verschwommene Konturen wahr. Der Ruf nach Hilfe erlahmte auf meinem Weg zu den Stimmbändern, verhallte ungehört in meinem Innern. Alles wurde schwarz.

Kapitel V

Es war ein kühler Frühlingsmorgen und der Kauz unterhielt sich mit seinem Echo. Silbriger Frost bedeckte die noch welke Waldwiese. Zaghaft warf die Sonne ihr Licht durch die leicht knospenden Baumwipfel. Die Welt schien ihren Atem angehalten zu haben. Knisternd zerbrach das Gras bei jedem seiner Schritte, hinterließ die Ahnung seiner Anwesenheit. Aber wer war er? Er war Künstler, war Träumer, Macher und Pragmat. Er war zuverlässig wenn ihm etwas wichtig erschien, jedoch unzuverlässig wenn es ihm zu belanglos wirkte. Er genoss die Nähe von Frauen, wünschte sich jedoch jedes Mal mehr, fühlte sich leer und unerfüllt im Körperlichen, kam es dann zu Gefühlen war er distanziert und unnahbar. Ein Reisender, der die Geborgenheit schätzte. Lehrer, Weiser, Priester von gar naiv närrischer und weltlicher Natur. Er war Goldmund, war Narziß, war ein Mensch unter Menschen. Und hier stand nun dieser Mensch namens Sebastian. Genoss die Ruhe, die Einsamkeit, fühlte sich aber verloren, nach Gesellschaft sehnend. So wünschte er den Ruf des Kauzes zu erwidern, würde gern seinen Geschichten lauschen, wie auch er ein Teil des Waldes werden. Aber seine Lippen blieben verschlossen. Und so blieb es ein Wunsch.
Im Kreise drehend bewunderte er die ihn umgebenden Bäume, während er dichte, weiße Wolken ausatmete, die alsbald Teil des kühlen Windes wurden. Fröstelnd grub er sich tiefer in die wärmende Decke, als er mit einer Träne im Augenwinkel erwachte. Denn er hatte alles wieder vergessen.

Montag, 15. Februar 2016

 Intermezzo

Wir suchten. Suchten ein Ziel ohne den Anfang gemacht zu haben. Suchten Brücken zu überqueren, die nicht gebaut worden waren. Folgten Pfaden. Endeten vor verschlossenen Toren. Hilfesuchend wandten wir uns um. Wurden vertrieben. Ließen uns treiben. Wussten nicht wohin. Ebneten Pfade neben denen Anderer. Endeten im Labyrinth fremder Wesen. Lange blickten wir hinauf. Hinauf zu den Welten so fern. Wollten Eigene errichten. Wünschten, hofften, sehnten. Warfen uns in die Luft. Fielen nieder mit Schrammen, die zu Narben wurden. Versuchten es weiter, gaben nicht auf. Kämpften. Wuchsen. Standen wieder auf. Langsam spürten wir, spürten wir uns steigern. Die Fersen, dann die Zehen, wir begannen zu schweben. Höher immer höher. Weiter immer weiter. Das Vergangene peerlte herab. In sanfter Wucht durstießen wir die Wolken. Vorsichtig. Bedacht. Ahnungsschwanger. Wir sahen alles. Wurden empor gehoben. Niedergebettet auf dem Moos des Himmels. Setzten Fuß auf neuen Welten. Blickten empor. Blickten uns in die Augen. Verloren uns. Wurden neu geboren. Suchten nicht mehr: fanden. Bauten nicht: erschufen aus dem Nichts. Ruhten nicht: stiegen weiter immer weiter. Höher und höher. Lechzten nach Leben. Labten uns an der Wonne. Liebten den Moment. Keine Pause. Ein Tanz bis zum Ende. Ein Tanz nur für uns. Kein Blick zurück, kein Blick nach vorn. Dahingleiten auf der Insel über den Wolken.

Montag, 1. Februar 2016

 21.01-22.01.2016


Kapitel II

Erschrocken erwachte ich von einem Klingeln. Zunächst dachte ich an das Telefon, aber das war es nicht. Müde streckte ich mich. Mein Rücken schmerzte etwas von der Nacht auf dem Sessel. Ich zuckte mit den Schultern. Der Schmerz ging vorbei, er würde zur Vergangenheit werden und das Vergange war nicht mehr real. Es klingelte erneut. Neugierig hob ich den Kopf. Wenn ich ein wenig warte, würde ich bestimmt die Quelle ausmachen können, dachte ich mir. Letztlich löste sich alles auf, oder auch nicht, das lag nicht in meiner Macht. Wiederholtes Klingeln. Ich mochte dieses Klingeln, es war nicht so störend, wie das des Telefons. Ich fragte mich, ob ich aufstehen sollte, vielleicht konnte ich dann herausfinden, woher es kam. Aber ich war noch müde, ein wenig Schlaf war keine so schlechte Idee. Nur kurz ausruhen. Ich schloss die Augen und schlief zum harmonischen Klang der Klingel ein. Ein wenig später erwachte ich und sah Verena vor mir stehen.
"Guten Morgen, Verena", sagte ich fröhlich.
"Guten Morgen?" Sie lachte ihr symphatisches Lachen, "Es ist bereits zwölf, mein Lieber."
Schuldbewusst krazte ich mir am Hinterkopf. "Ich war müde. Wenn ich müde bin, schlafe ich und wache ich auf, ist es Morgen, denke ich. Ist es wirklich schon so spät?" Unbehaglich rutschte ich auf dem Sessel in eine gemütlichere Position. "Möchtest du einen Kaffee, Verena? Ich weiß allerdings nicht, ob ich Kaffee habe, aber man bietet Gästen Kaffee an, glaube ich. Ja das wäre eine gute Idee, auch ich nehme einen Kaffee, denke ich. Wenn einer da ist. Warte, ich schau nach." Und ich sprang aus dem Sessel in die Küche. Ich durchsuchte nach und nach alle Schubladen und wurde immer trauriger. Ich drehte mich um, Verena stand lächelnd in der Tür.
"Ich kann leider keinen Kaffee finden, das tut mir leid Verena. Vielleicht taucht einer auf, wenn wir warten?" Ich lachte. "Ich glaube zwar nicht so wirklich daran, aber man kann sich ja nie ganz sicher sein, meinst du nicht auch?" Ich zwinkerte ihr fröhlich zu.
"Sebas, ich habe dir gestern frischen Kaffee gebracht, wenn du nicht alles schon getrunken hast, was ich nicht glaube, dann ist er noch immer dort, wo ich ihn hingelegt habe." Sie griff an mir vorbei und zauberte tatsächlich eine Packung Kaffee hervor. Freudig lachte ich und nahm ihn ihr ab. Während ich Kaffee mache versuchte ich mich an Gestern zu erinnern.
"Du warst Gestern da?"
"Ja sicher, zur gleichen Zeit wie immer."
"Wie immer? Soso? Weißt du, das liegt so weit zurück. Ja vielleicht warst du wirklich gestern da. Ich sehe hier frische Äpfel und Kaffee und ich denke mir, dass sie jemand gebracht haben muss, also macht es Sinn, was du da sagst."
Langsam rann der Kaffee durch die Maschiene und ich betrachtete ihn erfreut. Wir setzten uns an den Küchentisch, tranken Kaffee und aßen Kuchen, den Verena mitgebracht hatte. Sie war eine wirklich liebe Frau. Ich erinnere mich nicht, wann sie das erste mal zu mir gekommen war. Aber das spielte keine Rolle.
"Sebas, magst du nicht einmal mit mir raus gehen? Ein Spaziergang im Park, oder ins Kino, vielleicht ins Museum? Du bist nur in deiner Wohnung, hast du denn keine Lust etwas Anderes zu sehen?"
"Etwas Anderes?" Der Gedanke überforderte mich ein wenig. "Ich mag es hier, weißt du. Warum brauche ich etwas Anderes?"
"Warst du denn schon einmal im Kino?"
"Weiß ich nicht, vielleicht, aber spielt es denn eine Rolle? Braucht man das Kino?" Ich wurde unsicherer, konnte nicht ganz verstehen, worauf sie hinaus wollte.
Verena lachte freundlich.  "Du brauchst keine Sorge zu haben, Sebas. Wofür braucht man das Kino? Eigentlich eine gute Frage. Man braucht es nicht wirklich. Es macht einfach Spaß, weißt du?"
"Spaß?" Ja, Spaß klang gut. Aber raus? Da kannte ich gar nichts. Nun im Grunde genommen kannte ich hier auch nichts, ich hatte lediglich eine Ahnung. Die Ahnung war beruhigend.
"Was machst du denn gerne Sebas?"
"Was ich gerne mache?" Ich blickte auf die Kaffeetasse und nahm einen Schluck. "Ich trinke gerne Kaffee, denke ich. Vielleicht rauche ich auch gerne eine Zigarette." Ich blickte auf ihre Schachtel Zigaretten.
Sie lachte. "Bitte nimm dir."
"Danke, das ist sehr lieb von dir." Ich nahm ein paar Züge und freute mich an den verschlungenen Wirbeln, die der Rauch formte. Probeweise versuchte ich ein paar Rauchringe zu blasen, aber sie gelangen nicht wirklich. Das würde ich noch üben müssen dachte ich mir. "Ist es denn kalt draußen?" Tastete ich mich vorsichtig wieder an das Thema heran. "Du bist Mantel und Schal hereingekommen und deine Wangen waren auch ganz rot. Es ist bestimmt recht kalt heraußen, nicht wahr?"
"Ja, das stimmt, aber zieht man sich warm an macht das eigentlich nicht mehr viel aus und wenn es dir zu kalt ist können wir uns auch gerne irgendwo rein setzen. Vielleicht in ein Café?"
"Aber wo ist der Sinn raus zu gehen, wenn man wieder rein geht? Kaffee habe ich ja hier," sagte ich nicht ohne Stolz und schwenkte meine Tasse.
"Aber du könntest auch andere Menschen kennen lernen, vielleicht würde dir das gefallen? Mit mir unterhälst du dich doch auch gerne."
"Ja das wäre vielleicht ganz nett. Ja ich werde darüber nachdenken."
"Vergisst du es auch nicht, mein Lieber?"
"Ja das könnte vielleicht passieren. Aber warte ich habe eine gute Idee." Ich ging ins Arbeitszimmer und kam mit Stift und Papier wieder. "Hier siehst du, ich werde es notieren. Als Erinnerung: Nicht vergessen: darüber nachdenken."
"Fehlt da nicht etwas, Sebas?" Fragte sie mich fröhlich.
Ich blickte ihr unschlüssig entgegen und setzte vorsichtig noch ein Rufzeichen dahinter. Fragend sah ich sie an.
Sie lachte und zwinkerte mir zu. "Aber über was genau sollst du denn nachdenken?"
Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Aber natürlich!" Also schrieb ich den Satz neu: Darüber nachdenken, ob ich neue Menschen treffen möchte! Das Rufzeichen war außerordentlich wichtig spürte ich instinktiv.
18.01.2016



Kapitel I

Ich schlich durch die finsteren Gänge meiner Wohnung. Eigentlich gab es keinen Grund zu schleichen, ich empfand es jedoch als einzig richtige Handlung, der Stimmung entsprechend. Hier und da warf ich einen Blick in die finsteren Zimmer, betrachtete die von Tüchern verdeckten Möbelstücke, auch sie passten außerordentlich zur Stimmung.
Das gläserne Konstrukt der Stille wurde von dem Klingeln des Telefons gestört.  Es musste im Arbeitszimmer stehen. Ich blickte Gang hinunter. Überlegte. Dann schüttelte ich den Kopf. Es gab keinen Anlass, sich die Mühe zu machen. Ich setzte mich in einen von einem grauen Tuch bedeckten Sessel und wartete. Nach einigen Minuten gab der Anrufer auf und warf alles wieder in gewohnte Stille. Ich nickte erleichtert. So war es besser. Sollte ich aufstehen? Es war doch recht gemütlich. Versuchsweise griff ich in die Armlehne. Ledrige Weiche konnte ich unter dem Tuch erahnen. Vielleicht war es auch etwas Anderes. Mir gefiel jedoch die Idee von Leder. Ich nickte. Dann stand es fest. Unter diesem Tuch befand sich ein Ledersessel. Ich strich es wieder glatt. Dunkel- oder Hellbraun? Schwarz war auch nicht schlecht. Aber Hellbraun war wärmer. Ja. Ich saß also auf diesem hellbraunen Ledersessel, der vielleicht Schwarz war, vielleicht kein Ledersessel war. Aber wer konnte das schon wissen? Hatte eben nicht das Telefon geklingelt? Es lag in der Vergangenheit. Irgendwann hatte sicher jemand angerufen, vielleicht auch nicht. Ich könnte es herausfinden, indem ich den Gang hinunter ins Arbeitszimmer ging. Aber dann müsste ich diesen gemütlichen Ledersessel zurücklassen. Er war wirklich sehr gemütlich. Mir fiel auf, dass ich hunger hatte, ja dieses Gefühl war da. Und ich glaubte, nein ich war mir sicher, dass Essen jetzt etwas Gutes wäre. Ich stand also auf und war ein wenig traurig. Der Sessel war wirklich gemütlich gewesen. Vorsichtig strich ich das Tuch glatt. "Warte auf mich." Flüsterte ich liebevoll. Ich lachte. Natürlich würde er warten. Er hatte schließlich keine Beine. Zumindest Keine zum Gehen? Ich zögerte. Was wenn doch? Kichernd schlich ich in die Küche und stand unschlüssig vor dem Kühlschrank. Hatte ich überhaupt Essen? Eine wirklich schwierige Frage. Gelegentlich kam Verena, sie brachte mir Essen. Aber wann war sie da gewesen? Kam sie wirklich oder war sie nur eine Einbildung? Meine Hand wanderte zur Tür. Zögerte jedoch. Ich könnte enttäuscht werden, war schon fast wieder zur Küche hinaus. Aber ich hatte Hunger. Überfordert drehte ich mich um. Ich war wirklich nervös. Da lagen frische Äpfel in einer kleinen Schale. Waren sie wirklich frisch? Ich sah sie prüfend an. Sie sahen frisch aus. Erleichtert nahm ich einen und Biss herzhaft hinein, dass der Saft mein Kinn herunter rann. Ja, sie waren frisch. Außerordentlich lecker. Das war doch ein Zeichen, dass Verena da gewesen sein musste. Ja, bestimmt. Mutig schritt ich zum Kühlschrank und öffnete ihn. Überrascht geblendet kniff ich die Augen zusammen. Als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten sah ich erfreut einige Fertiggerichte, säuberlich gestapelt.  Ich nahm mir eine Schale mit Spagetti und schloss schnell wieder die Tür. Ich genoss es das Essen auf der drehenden Scheibe der Mikrowelle zu betrachten, bis der erlösende Ton erklang. Ich könnte auf dem Ledersessel essen, dachte ich mir. Wenn er nicht wegerannt war. Leise kichernd schlich ins Wohnzimmer und stellte erfreut fest, dass er noch da stand. Das war schön. Man weiß ja nie. Ich streichelte mit der freien Hand über die Lehne, um meinen Dank auszudrücken.  Als ich gegessen hatte, legte ich die leere Schale in die Spüle. Mein Körper war jetzt zufrieden. Ich ging zurück zum Ledersessel. Mein Plan war es, mit ihm eine Freundschaft aufzubauen. Er schien nett. Er war nicht davon gegangen. 

Freitag, 16. Oktober 2015

Wie ein Lahmer das Laufen lernte

eine Kurzgeschichte,

Jonas Bente, April 2015






Ein Rudel wilder Kinder stürmte lärmend, stolpernd, schreiend die Straße herunter. Ein Karneval des störenden Irrsinns. Penetrant, aufdringlich, jung und dumm. Akzeptiere den Wahnsinn, du bist schon längst ein Teil davon. Die Worte eines alten Freundes kamen mir in den Sinn. Damals, wie auch jetzt, schüttelte ich nur lächelnd den Kopf. Kurze Zeit später hatte er sich mit dem Colt seines Vaters von diesem Wahnsinn befreit. So läuft das nun einmal.
Und was tat ich jetzt? Ich saß. Eine Tätigkeit, die ich über die Jahre hinweg perfektioniert hatte. Von Mittags bis hin zum frühen Abend existierte für mich nur die Veranda, mein kleiner Vorgarten und die leere Straße. Während dieser Zeit war diese kleine Welt mein Lebensmittelpunkt. Ich dachte nach, ließ mein Leben, meinen momentanen Zustand der trockenen Alltäglichkeit Revue passieren. Neben mir ein Sechserträger Lone Star, welchen ich bis hin zum letzten Sonnenstrahl geleert hatte. Dann ging ich leicht schwankend in die Küche, stellte ein Fertiggericht in die Mikrowelle und betrachtete die drehende Plastikschale bis der erlösende Ton erklang. Ich ging in mein Schlafzimmer, aß lesend die geschmacklose, nur lauwarme Masse und legte mich, mit einem Knirschen meiner Knochen, einem Knarzen des Bettes schlafen. Als das Sonnenlicht durch das Fenster drang, erwachte ich gerädert und meine immerwährend gleichbleibende Routine wiederholte sich. Immer und immer wieder. Nach einem Spaziergang nahm ich auf der Veranda Platz, blickte auf meine faltigen, von Altersflecken übersäten Hände, herab auf meinen knochigen Körper, den meine weite Kleidung ja doch nicht verdecken konnte. Warum auch? Ich betrachtete den verwahrlosten Garten und die brüchiger werdende Straße. Alles zerfiel stetig, so verging die Zeit. Mein Bart wurde länger, der Garten verwilderte zusehends. In der Wohnung stapelte sich der Müll und dreckiges Geschirr, sodass bald ein Geruchgemisch aus Bier, abgestandenen Zigarettenrauch und Verwesung schwer durch die Wohnung waberte, bis irgendwann jemand von der Gemeinde kam, den Garten und die Wohnung zumindest oberflächlich in Ordnung brachte. Mein Haus sollte schließlich nicht das Bild des Dorfes mit ihren feinen Gärten und Häuschen ruinieren. Ich spuckte aus bei dem Gedanken daran. Die Versuche des Sozialarbeiters ein Gespräch aufzubauen, wies ich ab. Ich brauchte kein geheucheltes Interesse, kein Mitleid für meinen Zustand. Ich hatte es mir so ausgesucht. Bedarf an einer Unterhaltung mit einem über motivierten, pubertierenden, jungen Mann hatte ich wahrlich nicht.
Seufzend öffnete ich mit einem Klacken die nächste Dose Bier. Nach einem tiefen Schluck stellte ich sie schmatzend wieder neben meinen Sessel. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung auf der gegenüberliegenden Straßenseite wahr. Neugierig hob ich den Blick und wartete geduldig, dass jemand oder etwas aus den Büschen heraustrat. Nichts passierte. Wahrscheinlich hatte ich es mir eingebildet, dachte ich schulterzuckend. Ich nahm mir eine Zigarette aus der Brusttasche meines ausgeblichenen Hemdes und steckte sie mir in den Mundwinkel. Noch bevor ich sie mir anzünden konnte, hörte ich leise trippelnde Schritte, die vor der Treppe zur Veranda stoppten. Kurz verharrte meine Hand mit dem Feuerzeug und fuhr dann mit einem Klicken des Feuersteins an die Zigarettenspitze. Mit einem Knistern und Aufflammen inhalierte ich den ersten Zug und lehnte mich dann seufzend im Sessel zurück. Das kleine Mädchen stand leicht nervös, von einem auf den anderen Fuß wippend, vor mir. Eine Hand im wild zerzausten Haar, die andere in einer dreckigen Latzhose vergraben. Das Wippen stoppte und sie beugte sich vor. Abwartend betrachtete ich das kleine Ding. Aber sie sprach keinen Ton, verbeugte sich lediglich und legte einen kleinen rot-grünen Apfel auf die unterste Stufe. Im nächsten Moment sprang sie lachend und hüpfend davon. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Mühsam stand ich auf, nahm den Apfel in die Hand und schüttelte abermals den Kopf. Langsam ging ich zum Gartentor und schloss es, schaute vorher noch einmal die Straße herunter, aber das Mädchen war verschwunden. Mein Blick fiel wieder auf den Apfel. Ich nahm einen Bissen und verzog angewidert das Gesicht. Er schmeckte abscheulich. Ein bitterer Film legte sich auf Zähne und Gaumen. Ich spuckte den Bissen aus und warf den Apfel davon. An meinen Platz zurückgekehrt, nahm ich einen tiefen Schluck Bier und steckte mir eine weitere Zigarette an, um diesen eigenartig aufdringlichen Geschmack zu überdecken. Jedoch vergebens. Meine Zunge fühlte sich merkwürdig pelzig und taub an. Das Gefühl schien sich in meinem Mund mehr und mehr auszubreiten, sodass ich gierig nach dem Bier griff, es leer trank und gleich nach einem neuen griff, welches ich in einem Zug herabstürzte. Außer Atem holte ich tief Luft und spürte voller Schrecken, wie sich das Gefühl weiter den Rachen herabstürzte und meinen Körper zu erfüllen begann. Ich wurde panisch, mein Herz schlug schneller, wilder. Die Nasenflügel bebten, saugten gierig Luft in meine Lunge. Aber nichts half. Meine Kehle schnürte sich zu. Ein Schreien versagte den Weg zu den Stimmbändern und verhallte ungehört in meinem Verstand. Gehetzt blickte ich mich um, versuchte aufzustehen, aber meine Beine verweigerten ihren Dienst. Mein Körper wurde kraftloser, während die Umgebung begann, sich aufzulösen. Das Holz der Veranda splitterte nach und nach, wandelte sich zu Staub, verschwand im Nichts. Gras welkte, verweste, ließ nichts als wüste Erde zurück. Der Sessel, auf dem ich saß, knirschte, verrottete, barst zu einer Wolke, während ich, unfähig mich zu bewegen, in der Luft verharrte. Ich war ohnmächtig, verdammt zuzuschauen, wie sich alles nach und nach zu Trümmern, Asche und Staub wandelte. Ein heißer Wind fegte über die wüste Ebene, blies die mich umgebende Wolke davon. Ich selbst verharrte immer noch schwebend, spürte und beobachtete, wie sich meine alte brüchige Haut abblätterte. Mehr aus Angst als vor Schmerz krümmte ich mich zusammen, während nach und nach mein Fleisch und meine Knochen zerfielen. Im selben Moment jedoch erlebte mein Körper eine Wiedergeburt. Muskeln, die eingefallen zu Asche zerfielen, wuchsen neu, frisch, dehnten, spannten und verbanden sich. Das falsche Gebiss fiel mir aus dem Mund und aus dem jungen, gesunden Zahnfleisch wuchs eine Reihe neuer, starker Zähne. Haare und Bart gewannen an Farbe, wuchsen kräftig, lockig nach. Und über das Fleisch meines Körpers legte sich eine spannende, rosige Haut. Wie wild begann mein Körper jetzt zu zittern, als müsste sich der Verstand zunächst an dieses neue Gefäß gewöhnen und sackte dann langsam zu Boden. Sanft wurde ich abgesetzt, immer noch zitternd, trotz der Wärme frierend. Hustend spuckte ich einen blutigen klumpen Eiter aus, mich weiter am Boden wälzend, bis meine Haut von einer Schicht aus sandfarbenem Staub bedeckt war. Am Rücken liegend beruhigte ich mich, die Augen noch geschlossen haltend. Als ich sie aufriss, blickte ich zur stechend hellen Sonne, dass meine Pupillen auf Stecknadel Größe schrumpften und ich meine Augen schmerzhaft zusammenreißen musste. Geblendet sah ich Flecken verschiedenster Farbe durch mein Blickfeld schweben. Langsam ruhiger werdend, setzte ich mich auf, wartete noch kurz, ehe ich vorsichtig meine Augen erneut öffnete. Vor mir breitete sich eine endlos erstreckende Wüste aus. Ein trockener Wind fegte über kleine und größere Trümmerstücke, die sich geräuschlos weiter auflösten und schließlich zu Staub zerfallen an mir vorbei wehten. Stolpernd drehte ich mich um die eigene Achse, aber alles, was ich erfassen konnte, war das trostlose Nichts. Lachend sackte ich auf Knie und Hände. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Wie irre begann ich zu kichern, als der Blick auf meine Hände fiel. Es musste ein Traum sein, anders war das nicht zu erklären. Ich legte mich auf den Rücken und betrachtete erstaunt meine Handflächen. Es fühlte sich furchtbar real an. Ich kniff mir in den Handrücken und die gesunde Haut schnellte gleich wieder, leicht gerötet, zurück. Keine Spuren des Alters waren zurück geblieben. Ich seufzte und richtete mich auf, fühlte die jungen Muskeln in mir arbeiten, spürte die Kraft, die mich durchströmte. Mein Lächeln wuchs und wuchs, erfasste bald den ganzen Körper. Versuchsweise machte ich einige Sprünge, warf mich in die Luft und schlug in kindlicher Freude Räder. Ich fühlte mich wie ein Lahmer, der das Laufen wieder erlernte. Mächtig spürte ich mein Herz schlagen, ich stand still, füllte ohne ein Keuchen und Kratzen meine Lunge, als ich ein Beben zu meinen Füßen spürte. Um mich herum brach die Erde in sich zusammen. Risse zogen sich Schlangen gleich durch das Gestein, fraßen sich tiefer und tiefer in das Erdreich. Felsen brachen ab und fielen in unabsehbare Tiefe. Sie wurden nach und nach verschlungen vom flammenden Kern, bis nur mehr ein steinerner Stift verblieb, auf dem ich stand. Einen Moment stand alles still. Kein Ton war zu vernehmen. Selbst mein Herz setzte einen Schlag aus. Eine innere Ruhe ergriff mich, als ich in die Leere trat und absprang. In der Schwärze verharrend sah ich die Welt untergehen, sich verwandeln in einen farbenfrohen Feuerball, sich selbst verzehrend, immer wieder gebärend, um dann, ohne Verbleib, im Nichts zu verschwinden.
Aus dem Nichts heraus entstand lautlos im leeren Raum ein dunkler, runder Körper. Schwach glimmend nahm man im Innern eine pulsierende Lichtquelle wahr, die sich nach und nach ausdehnte und bald das ganze Gebilde vereinnahmte. Wie eine Flüssigkeit waberte das Licht mal mehr, mal weniger stark. Im stetigen Rhythmus eines schlagenden Herzens pumpte die Erscheinung das Licht weiter hinaus, bis sich feine, sanft leuchtende Wurzeln abzweigten, durch die das Licht wie Blut schwappte. Es entstand ein Geäst, welches sich in alle Richtungen gleichsam ausbreitete, immer feiner, immer strukturierter werdend. Ein brummendes Vibrieren ergriff mich. Meine Hand fuhr langsam an die Brust. Es war mir, als hörte und spürte ich einen gigantischen Bienenschwarm durch mich hindurch fliegen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, wurde aufgeregter, wilder. Schlug gleichsam im Takt des pulsierenden Lichtes. Es dehnte sich aus. Sackte wieder zusammen. Mit jedem Ausdehnen erweiterte sich das Geäst in alle Richtungen, bis es bald das Schwarze im Innern verdrängte. Ward nurmehr ein warm leuchtender Ball wogenden Lichtes. Flüssige Flammen leckten in eleganten Wirbeln über die Oberfläche, zogen feine, glänzende Fäden hinter sich her, die nach und nach wieder verblassten. Das Gebilde wuchs fortwährend, dehnte sich unaufhaltsam aus. Gebar weitere glimmende Körper, die, ebenfalls sich in ihrer Form entfaltend, in Ellipsen um den glühenden Ball rotierten. In einem ohrenbetäubend stillen Moment verharrte alles. Um sich dann in unsagbarer Geschwindigkeit zu verdichten, bis der Körper in Staubkorngröße alles vereinnahmte. In Sekundenbruchteilen waberten Flammen stärker und stärker leuchtend, Leben erschaffend, die Leere verzehrend. Meere, Berge, Wälder. Alles wurde in einem Augenblick aus Flammen geboren. Ich wurde hinein gesogen in diesen Wirbelsturm der mir atemraubenden Eindrücke. Starb, lebte jahrelang in jener Sekunde. Wurde neu geboren in zehntausenden Momenten. Ich lachte schrie, johlte. Blickte auf, sprach Wörter, die ich nicht vernahm. Ein Rausch, ein flüssiger Traum. Ich lebte, pulsierte, vibrierte, veränderte die Gestalt in etwas, das zwischen allen Grenzen lag. Ich schmolz, verdampfte, wurde, geschah. Wandelte durch weite Wüsten und schwamm durch sich ewig erstreckende Meere. Als ich den höchsten Punkt der Erde erreichte, biss ich herzhaft in einen Apfel, den mir ein junges Mädchen reichte.
„Gewöhnlich ist das Leben niemals, solange du deine Augen für das Ungewöhnliche öffnest“, sagte sie mir mit einem fröhlichen Augenzwinkern. -

Mittwoch, 8. April 2015

Die Welt war untergegangen. Hatte sich verwandelt in einen farbenfrohen Feuerball, sich selbst verzehrend, immer wieder gebärend, um dann, ohne Verbleib, im Nichts zu verschwinden.
Aus dem Nichts heraus entstand, lautlos im leeren Raum, ein dunkler, nahezu schwarzer, runder Körper. Schwach glimmend nahm man im Innern eine pulsierende Lichtquelle wahr, die sich nach und nach ausdehnend, bald den ganzen Körper vereinnahmte. Wie eine Flüssigkeit waberte das Licht mal mehr, mal weniger stark. Im stetigen Rythmus eines schlagenden Herzens pumpte der Körper das Licht weiter hinaus, bis sich feine, sanft leuchtende Wurzeln abzweigten, durch die das Licht wie Blut schwappte. Es entstand ein Geäst, welches sich in alle Richtungen gleichsam ausbreitete, immer feiner, immer struktierter werdend. Ein brummendes Vibrieren ergriff ihn. Seine Hand fuhr langsam an die Brust. Es war ihm, als hörte und spürte er einen gigantischen Bienenschwarm durch sich hindurch fliegen. Sein Herzschlag beschleunigte sich, wurde aufgeregter, wilder. Schlug gleichsam im Takt des pulsierenden Lichtes. Es dehnte sich aus. Sackte wieder zusammen. Mit jedem Ausdehnen erweiterte sich das Geäst gleichmäßig in alle Richtungen. Immer feiner werdend verdrängte es bald das Schwarze im Innern. Ward nurmehr ein warm leuchtender Ball wogenden Lichts. Flüssige Flammen leckten in eleganten Wirbeln über die Oberfläche, zogen feine, glänzende Fäden hinter sich her, die nach und nach wieder verblassten. Der Körper wuchs fortwährend, dehnte sich unaufhaltsam aus. Gebar weitere glimmende  Körper, die, ebenfalls sich in ihrer Form entfaltend, in Ellipsen um den glühenden Ball routierten. [...]

Dienstag, 24. März 2015

Eine Lektüre

Ein dumpfes Pochen. Er öffnet die Tür. Leere. Verwundert zieht er eine Augenbraue herauf und schließt die Tür. Kurze zeit später. Ein dumpfes Pochen. Er springt an die Tür. Öffnet sie. Leere. Nun wandern beide Augenbrauen in die Höhe. Verwunderung. Langsam schließt er die Tür, nicht ohne ein weiteres Mal auf den Flur hinaus zu spähen. Jedoch nur Leere, also fällt die Tür ins Schloss. Er schüttelt den Kopf. Lacht über sein irritierendes Gehör, setzt sich in den Sessel, alt braun, ein wenig zerfetzt, jedoch gemütlich. Eine Zigarette wird angezündet, das Buch aufgeschlagen. Zwei Sätze ließt er. Ein dumpfes Pochen. Er sieht auf, schüttelt schmunzelnd den Kopf, widmet sich seiner Lektüre. Die Lektüre: weiß, gebunden, golden stehen die Initialen G.G. auf dem Buchrücken, der Inhalt scheint den Lesenden zu amüsieren. Er grinst. Ein dumpfes Pochen. Das Grinsen erstirbt. Die Lektüre beiseite gelegt. Er schmaucht seine Zigarette, bläst den blauen Dunst Richtung Tür, ganz so als wolle er jenes Geräusch verscheuchen. Vergebens. Ein dumpfes Pochen. Langsam, ernste Miene. Er nähert sich der Tür, öffnet diese. Leere. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen. Verärgert wirft er die Zigarette auf den Flur, schließt die Tür. Setzt sich erneut. Nimmt sein Buch zur Hand, schlägt es nicht auf, sein Gemüt zu erregt. Er lauscht. Er wartet. Nichts. Das Buch wird aufgeschlagen. In diesem Moment. Ein dumpfes Pochen. Ruhe. Er analysiert dieses Geräusch. Neigt den Kopf. Ein dumpfes Pochen. Legt das Buch beiseite. Er betritt sein Schlafzimmer. Schüttelt den Kopf. Verlässt es. Das Schlafzimmer: Dunkel, ein kleines Fenster, kahl, ja leer, bis auf ein leicht verstaubtes Bett. Scheint zuletzt vor Monaten benutzt. Die Schlafzimmertür wird geschlossen. Die Küchentür geöffnet. Nasenrümpfen. Die Augenbrauen neugierig erhoben. Der Blick suchend. Der Kopf geneigt. Er blickt über ungewaschenes Geschirr, verschimmelnd in der Spüle liegend. Die Kühlschranktür geöffnet. Dunkelheit, Spinnweben. Er öffnet das Fenster. Späht hinaus, erfasst alles. Leere. Er schüttelt den Kopf. Schließt das Fenster. Betritt sein Arbeitszimmer. Nimmt ein unvollkommenes Manuskript vom Schreibtisch, blickt auf den Titel. Lässt es achtlos fallen. Ein dumpfes Pochen. Er nähert sich dem Bücherregal. Horcht. Wartet. Schließt die Augen. Öffnet sie wieder. Vor seinen Augen breiten sich Unmengen seiner Bücher aus, schlagen auf, schlagen zu. Ein dumpfes Pochen. Ein Bücherturm wächst. Wird höher, wird breiter, er erkennt keine Bewegung. Ist umschlossen. Erstaunt inspiriert erhebt er seinen Kopf. Wird erschlagen. Wird zum Wort. .-